Hausandacht - 1. Epiphaniassonntag, dem 10. Januar 2021

Hausandacht - 1. Epiphaniassonntag, den 10. Januar 2021, Pfarrer Kurt Boltres

Im Namen Gottes, des Vaters, der Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Tagespsalm: 72,1-20 – Der Friedefürst und sein Reich

Gebet: Barmherziger Gott, himmlischer Vater, du bist der Herr aller Zeit und willst uns jetzt schon für deine Ewigkeit bereiten. Doch unsere Tage fahren schneller dahin, als wir es empfinden. Sie kommen und gehen, gleich dem Gras auf der Wiese und den Worten, die aus einem leeren Geschwätz hervorgehen. Wir bitten dich, noch ehe die Sonne uns verlässt: mache uns frei von dem alten Wesen, von der alten Schuld und der alten Gesinnung. Gib uns die Kraft loszulassen von dem, was uns festhält und nimm alle Angst von unsern Herzen. Herr, erbarme dich unser. Amen



Das Predigtwort der Bibel zum Brief an die Römer 12,1-8


Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr 

euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch 

durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied.

Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, 

tue es mit Freude.


Weisungen über Generationen


Liebe Schwestern und Brüder, Liebe Gemeinde,

Jeden Morgen bekam ich vor Jahren Weisungen zu hören. Das war manchmal nicht zum Aushalten. Das war vor 50 Jahren, wenn ich zur Schule ging. Ich musste mir damals die täglichen Anweisungen anhören: „Du sollst brav sein, - Du sollst gut zuhören – Du sollst die nicht prügeln – Du sollst das Jausebrot ganz essen – Du sollst nichts vergessen, was man euch sagt“. Das war die fürsorgliche Art meiner Mutter. Sie hat es gut gemeint und wollte in die 7 Jahre von zuhause, alles einbringen, was im späteren Leben nützlich sein könnte. Als Kind hört man diese Weisungen und denkt sich dabei eigentlich nichts. Es gehörte doch zum Alltag, es gehörte zum Leben, es gehörte einfach zum Dasein. Und es hat mir geholfen.

Ich weiß nun nicht, wie es erwachsenen Menschen zumute ist, wenn sie ständig belehrt werden. Ich weiß nicht, was sie sich dabei denken, wenn sie in ihrem sittlichen und sozialen Verhalten ständig zurecht gerückt werden. Ich weiß auch nicht welche Reaktion aufkommt, wenn sie fortwährend erinnert werden, an das, was sie eigentlich wissen sollten. Beispielsweise: „Du hast wieder einmal nicht gegrüßt, wo warst du denn mit deinen Gedanken !“ – oder „Weißt du denn nicht, dass man im Kirchhof nicht rauchen darf !“ – oder „Auf dieses Begräbnis hättest du gehen müssen, denn wir sind doch schließlich weit anverwandt !“ 

Sehr peinlich wirken diese Zurechtweisungen dann, wenn sie in der Öffentlichkeit geschehen. Das ist dann eine Blamage, die unverzeihlich die eigene Seele trifft. Es wirkt dann entgegen einer Moralpredigt und bringt so manchen Menschen zum Nachdenken. Es schießt uns die Röte in die Wangen, weil wir doch von Geburt aus emotionale Menschen sind, welche die Wahrheit und die Unwahrheit in vielseitigen Emotionen erleben. Der Kaltblütige hingegen reagiert anders.

Das, liebe Freunde, sind Weisungen, die dem Guten Ton entnommen sind, einer Sammlung von Verhaltensregelns, die vor mehr als 100 Jahren Freiherr von Knigge veröffentlicht hat, damit in der Gemeinschaft ein gutes Benehmen nach genauen Regeln erzogen wird. Diese Verhaltensregeln dienen einem guten und gemeinsamen Leben in der Gesellschaft. Heute sagt man: sie dienen einem rechten Sozialisieren. Aber nicht allen ...

Ich habe es nämlich auch erlebt, dass in manchen Situationen alle Ehrfurcht vor einer geistlichen Rede, einere Predigt oder auch einem Bibelwort gegenüber, nicht am Platz gewesen ist. Da habe ich hören müssen: „Hör doch auf mit deinem frommen Gefasel, du gehst mir auf die Nerven, es bringt bei mir nichts ...“ Und im Sinne dieser höhnischen Replik schmunzeln wir ja heute über die Worte des Apostels Paulus, die als zeitgerechte Ermahnung unserm Predigttext zugrunde liegen. Sie scheien für die heutige Zeit fehl am Platz zu sein. 

Wir verstehen in der heutigen Zeit die Kirche immer mehr als ein Dienstleistungsunternehmen, welches in allen Aktivitäten das religiöse Bedürfnis der Gemeinde zu befriedigen hat und in seiner Arbeit nicht provozieren oder herausfordern darf. Diese Definition habe ich irgendwo gelesen. Doch es geht weiter: Die Kirche soll an die Bedürfnisse des Volks angepasst werden, sie soll eine Kirche für das Volk sein, nach allen Seiten offen, allen Rechtes tun, allen Menschen die Wünsche vom Mund ablesen, niemandem auf die Füße treten, allen Interkonfessionellen Freund und nicht Feind sein, alle Menschen lieben und ihnen dienen, human und diakonisch wirken ...usw. Das ist die neuartige Vorstellung von der christlichen Kirche.

Doch dieser allgemeinen Vorstellung zuwider, hören wir heute die Worte des Apostels Paulus, die uns ein wenig befremden. Es sind steile Worte, es sind anstößige Worte über Barmherzigkeit, Demut  und Gottesdienst. Wir legen deshalb diese Worte in die heutige Situation hinein, wo wir vor lauter Problemen und vor vielen Bedrängnissen das Verständnis zu diesem Wort ganz verändert haben. Selbst das „kultische Verständnis“ des Glaubens ist anders geworden. 

Wir sagen heute nämlich, dass Glaube und Gottesdienst nur zum Sonntag gehören, zu den regelmäßigen Kirchgängern. Denn es ist ein Teil ihres Lebens. Der Glaube und der Gottesdienst gehört nicht in den Alltag, denn dieser hat für sich genug Sorgen und Probleme. Da ist keine Zeit mehr für eine Frömmelei, für ein Gebet, für ein besinnliches Nachdenken über dieses Leben.

Der Apostel Paulus sagt uns klar und deutlich: Es gibt zwei Arten Gott zu dienen und ihm die Ehre zu erweisen. Es gibt zwei Arten von Gottesdienst, der am Sonntag und der im Alltag. Der Gottesdienst am Sonntag hat seine Form. Er wird begleitet von einem liturgischen Teil, einer Predigt, einem großen Gebet und einem Sakramentsteil, wo die beiden Sakramente, Taufe und Heiliges Abendmahl, gespendet werden. Wer nun nicht bewandert ist in dieser liturgischen Praxis, der meidet deshalb auch oft den Gottesdienst am Sonntag. Er meidet nicht nur den Gottesdienst, sondern auch die Gemeinschaft und alle anderen Veranstaltungen, die unsere Kirche im Angebot hat. Er lebt sozusagen kirchenfremd.

So kann der kirchenfremde Mann auch nicht das, was er nicht versteht, in seinen Alltag hinein nehmen. Der Alltag ist nämlich die zweite Form des Gottesdienste, die der Apostel Paulus hier empfiehlt. Doch zu Hause können wir Evangelische auch nicht einen Hausaltar aufbauen und uns dafür einen Zeremonienmeister mieten, so wie sich die Fürsten im Mittelalter einen Hofprediger leisteten. Aber wie soll nun der Gottesdienst im Alltag aussehen und sein ?

Der Apostel Paulus gibt uns dazu eine Antwort, die er seinen Freunden in  Kolossä schrieb: Kol. 3 „Alles, was ihr tut, in Worten oder in Werken, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen !“ Darum sollen wir ständig prüfen, was Gottes Wille ist. Dies sollen wir nicht nur am Sonntag im Gottesdienst tun, sondern auch im Alltag, denn Gottes Wille liegt oft tief verborgen in den vielen Möglichkeiten des Lebens. Was Gott von uns will, liegt verborgen in den Herzen, in den Beobachtungen, in den Erfahrungen und im Verstand. Damit fordert Gott uns diesbezüglich und droht uns auch gelegentlich. Aber in allem schenkt er uns die Gabe, durch seinen Heiligen Geist seinen Willen wieder und wieder  zu erkennen.

Doch auch die Vielfalt der kirchlichen Aktivitäten zeigen uns den Willen dieses allmächtigen Gottes. Das ist der sonntägliche Gottesdienst, die Bibelstungen, die Andachten, der Kinderunterricht, die Bibelkreise und Gebetskreise, der Kirchenchor, die Diakonie, die ökumenischen Begegnungen, die Nachbarschaft (nachbarlichen Aufgaben) usw.

Die Beobachtungen und die Erfahrungen dieser Veranstaltungen sollen wir in unser Familienleben, in unseren Alltag mitnehmen. Dieses wird von uns erwartet. Der Apostel Paulus spricht selbst von den 7 Charismen, die ein rechter Gottesdienst anbietet, die in den Alltag mitgenommen werden können. Das ist 1. – die Prophetie 2. – die Diakonie 3. – der Umgang mit der Lehre 4. – die Aufgabe der Zuweisung des Trostes 5. – die Mildtätigkeit 6. – die Gemeindeleitung 7. – die Barmherzigkeit. Das ist ein schönes Paket von Aufgaben und Verpflichtungen, die einen segensreichen Alltag ausmachen, dazu natürlich auch das Gebet, mit Dank für den Alltag und Lobpreis für Gott.

Das liebe Brüder gibt eine schöne Perspektive. Aber heute (10.01.2021) am Gedenktag der 76. Deportation unserers siebenbürgischen Volkes fragen wir uns, ob diese Gedanken zu Trostworten in dem Gulag von Russland 1945-49 werden konnten. Unsere Väter, Geschwister und Großeltern brauchten solche Worte nicht zu hören. Sie waren geplagt unter Hunger, schwerer Arbeit, demütigenden Ritualen der Wachmannschaften, körperlicher Bestrafung, Verrat und Diebstahl. Sie hatten zwar auch Hilfsbereitschaft und anhaltende Freundschaften erleben dürfen, doch das Leid, die Not und die Enttäuschung der oft zu hörenden propagandistischen Heimkehrgerüchten war erdrückend. „Skoro damoi ! – bald gehts nach Hause“ – dieses Wort schwebte 5 Jahre lang über den Deportierten. Krankentransporte und nach den Listen die Ersten durften nur heimkehren ! Doch für viele andere brachten diese Worte eher seelische Not, Verzweiflung und sogar Glaubensverlust. Und dieses trotz der regelmäßigen Gottesdienste, die unter den gegeben Umständen, die deportierten Prediger, Pfarrer, Pfarrfrauen und Kuratoren in den Lagern des Donez hielten. Die Predigten dieser Leute sind uns leider nicht erhalten geblieben, da in den Situationen damals ein schriftliches Bekenntnis nicht festgehalten werden konnte. Doch die geschriebenen Erinnerungen geben zwischen  den Zeilen alles wieder, was sich in den Lagern zugetragen hat, Gutes und Böses. Das Bild des „schlechten Russen“, welches uns nachfolgenden Generationen von der Mehrheit der Deportierten vermittelt wurde, zeigt aber nicht alles. Wir wollen deshalb heute auch dem Guten und auch dem Bösen dieser Zeit anschließend gedenken.

Ich denke jedoch, daß über aller Verkündigung damals und auch heute der alleinige Wille Gottes stand. Dieser Wille Gottes stand nämlich über Jahrhunderte hindurch über aller Verkündigung im Volk. Er beleitete die Irrtümer seiner Kirche, er begleitete die Not dieser Kirche, er beleitete die Tiefen seines Volkes. Und dieser Wille Gottes begleitet uns auch heute, bis in alle Ewigkeit. 

Hier noch ein kleiner Einschub: Ein Seifenfabrikant sagte einmal zum Bischof. „Hochwürdiger Herr, der christliche Glaube ist nichts wert, er bewirkt nichts in der Welt, denn es gibt noch immer böse Menschen“. Darauf zeigt der Bischof auf ein schmutziges Kind, das gerade im Sand spielt und sagt: „Seife hat ja auch nichts bewirkt, es gibt immer noch Schmutz und Dreck auf dieser Welt !“ Darauf sagt der Seifenfabrikant: „Die Seife wirkt ja nur, wenn man sie benützt !“ „Sehen sie“ – sagte der Bischof „ der christliche Glaube wirkt auch nur, wenn man ihn benutzt !“

Aus diesem Grunde, sollen wir nicht nur als Kirchgänger am Sonntag etwas von unserem Glauben zeigen, sondern auch in unserem schweren Alltag. Und wir werden sehen, dass Gott uns nahe stehen wird in seiner Gnade und Barmherzigkeit, er wird uns leiten und führen zu einem seligen Leben in aller Erinnerung und zur Ewigkeit. Er wird uns auch Trost geben, diese Strecke bis dahin zu überwinden. Amen.

Gebet:

Herr Gott, himmlischer Vater, du hast uns deine Herrlichkeit aufgegehn lassen in Jesus Christus, deinem Sohn. Hilf uns, daß wir ihn als unsern Erlöser erkennen und in Freude anbeten. Du hast uns als deine Kinder angenommen, berufen und mit deinem Geist beschenkt. So wandle und erneuere uns an Leib und Seele, daß wir in allen Dingen uns deinem Willen beugen und in deinem Wohlgefallen stehn.

Heute ist ein besonderer Tag für uns. Wir gedenken nämlich heute der vielen Opfer und Trübsale, die unsere Großeltern, Väter, Geschwister und viele Familien aus Siebenbürgen durch die Deportation 1945 (11.-13. Januar) erleben mussten. Es war ein harter Schlag, nicht nur für die Deportierten, die Hunger, Kälte, Krankheit und  seelische Not ausstehen mußten, sondern auch für die Zurückgelassenen. Es blieben zurück Kinder, Greise und völlig Entrechtete. Es blieben zurück zerstörte Ehen, zerrissene Familien, Witwen und Waisen – alle fürs Leben gezeichnet.

Wir müssen bekennen, dass es und schwer getroffen hat. Nicht nur die Deportierten, welche Hunger, Kälte, Krankheit und seelische Not ausstehen mussten, sondern auch die Hiesigen. Es blieben zurück Kinder, Greise und völlig Entrechtete. Es blieben zurück fürs Leben gezeichnete. Viele haben ihre Jugend und ihre Kräfte des blühenden Aters hergeben müssen. Die Wiedergutmachung im Westen und im Osten reichen auch heute nicht aus, um ein Vergeben und Vergessen zu bewirken. Dennoch haben alle den Beistand in Jesus Christus, in Freud und Leid, erfahren dürfen und sind im Glauben gestärkt worden.

So stärke auch uns mit deiner Güte und Barmherzigkeit und lass walten deine Gnade hier und jetzt. 

Dir allein, dem Dreieinigen Gott, werden wir uns anvertrauen mit allem, was wir sind und haben. Segne uns mit unsern Kindern, Verwandten  und Bekannten und schenke uns deinen Frieden. 

Dieses verflossene Corona-Jahr war voller Bangen, voller innerer Not und Ängste. Wir wissen auch nicht, was dieses neue Jahr bringen wird. Doch volle Sicherheit haben wir nur im Glauben an dich, der du ewiger Herr bist über Leben und Tod, über Freude und Leid, über Unfrieden und Segen.

Wir bitten dich, sei auch der Herr des neuen Jahres. Segne die Zeit, die du uns noch gibst nd rüste uns aus für deinen großen Tag.

In der Stille denken wir vor Dir auch an alle unsere Freunde, Bekanten und Verwandten in der Nähe und in der Ferne. Beschütze sie auch weiterhin nach deiner großen Güte. In der Stille nenne wir ihre Namen und bitten dich, erhöre unser Gebet.



Wir beten zu dir:


Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute,

und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.


Segen

Der Herr segne und behüte uns.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Amen