Hausgottesdienst am 3. Trinitatissonntag dem 28. Juni 2020

Hausgottesdienst am 3. Trinitatissonntag dem 28. Juni 2020, Pfarrer Kurt Boltres

Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen 

Tagespsalm Nr. 106 „Gottes Gnade und Israels Undank“

Gebet:

Allmächtiger Herr und Gott, der Vater, der Sohn und der Heiliuger Geist. Du bist die Quelle des Lebens, ohne dich ist unser Wort leer. Unser Herz ist unsicher und voller Angst. Tilge was uns von dir trennt und mach uns zur Versöhnung bereit. Wir heben unsere Hände zu dir empor und bitten dich: Herr erbarme dich unser !

Wir lesen Gottes Wort im Evangelium des LK. 15,1-3.11b-32 

1 Es nahten sich ihm aber allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. 2 Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.3 Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: 

Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.14 Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben 15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. 17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! 

20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen 26 und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. 27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. 29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. 30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 

31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. 

32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

Kein seltener Fall

Liebe Schwestern, liebe Brüder, liebe Gemeinde,

Der verlorene Sohn, steht in der Bibel, als Überschrift. - Oder eigentlich sollte hier stehen: Die verlorenen Söhne. Beide sind doch weit vom Vater entfernt. Der eine ist unterwegs, bis er sein Leben ganz verprasst und vor die Wand fährt, der andere ist jeden Abend zu Hause und hat keine Ahnung davon, wie gut es ihm geht und wie freundlich sein Vater ist.

Der verlorene Sohn also, auf dem wird seit Jahren als Lebensthema geritten. Und irgendwo, ich glaube im Jahr 2003, fand ich auch einen Comic-Heft von der verlorenen Tochter. Das scheint auch aktuell zu sein. Und dennoch jedesmal, wenn über diese Geschichte gepredigt wird, hört man hinterher die Bemerkung: „Es war doch nichts Neues, all das kennen wir schon !“

Doch ich hatte im Sinn von dem verlorenen Vater zu erzählen, es kann natürlich auch die verlorene Mutter sein. Von dem Vater oder der Mutter, die beide verloren haben, und zwar, den Kontakt zu den Kindern. Sie haben den Kontakt zu den Kindern verloren, weil etwas dazwischen trat, etwas zwischen Eltern und Kindern, was ihr familiäres Verhältnis störte. War es einfach nur die Pubertät, war es ein Drängen zur Abnabelung, weil es zu heftig zuging und Statten warf, oder hat es große Verletzungen hinterlassen. Gekränkte Eltern, gekränkte Kinder – alle auf einer neuen Identitätssuche. Oder war es gar Schuld, erkannte Schuld und mindestens ebenso unerkannte. Die Trennung war die einzige Lösung. Somit ging eine Beziehung verloren.   

Die Beziehung ging auch durch die räumliche Trennung verloren. Die Auswanderung setzte sich durch mit der Möglichkeit einer besseren Dienststelle und einer Sicherheit, die mit Freiheit identifiziert wurde. Sie, die Kinder, technisch fortgeschritten und die Eltern mit ihrem Kampf ums Überleben.

Und beide der Vater und die Mutter, sie stehen mit beiden Händen voller Liebe da – und keiner will sie haben.

Diese Tragik erlebt der Vater. Die Tragik erlebt die Mutter. Beide alleinstehend. Diese Tragik erleben auch Eltern quer durch die Geschichte womöglich bis zu uns, Manchmal sind da auch nur ganz subtil Sätze, die ich von Älteren öfter höre: „Unsere Kinder kommen in den letzten Jahren nicht mehr so oft wie früher. Die haben keine Zeit, die haben so viel zu tun ... ich seh’ sie kaum noch.“

Verständnis hören wir hier, die Kinder in Schutz zu nehmen – schließlich sind’s ja unsere Kinder –, weil wir sehen, dass ihr Verhalten vielleicht nicht gerade so rücksichtslos ist, aber eben auch nicht richtig. Gründe dafür gibt es genug. 

Doch viele andere Leute meinen: „So geht man doch nicht miteinander um.“ – das ist doch traurig und schmerzhaft. Ich möchte nicht wissen, wie viele Tränen, von Vätern und Müttern, da heimlich geweint werden: „Die Kinder fehlen mir ... sie fehlen uns. Früher, da war’s anders, schöner.“

Als Vater von einer Tochter und zwei Enkelsöhnen kann ich mitreden: Wir hier im Burzenland und sie 2000 km weit entfernt in Deutschland. Das ist eben nicht um die Ecke, sondern viele Autostunden entfernt. Das ist schon manchmal schwer und aufwendig. Wir kennen es und spüren es auch, denn wir werden immer älter.

„Früher war das anders.“ Klar, war das früher anders. Trotzdem: Wenn der Kontakt gestört ist und wenn er abbricht, dann wurden schon im „Früher“ die Weichen für das „Später“, das heute, gestellt.

Da gibt’s einige Weichen: zB zu einer missglückten Kommunikation – wir reden zu wenig miteinander. Und wenn wir reden, dann oft nur über Sachen, ganz oben an der Oberfläche: „Wie geht’s? Was für ein Wetter habt ihr? Was macht die Arbeit? Wie geht’s den Kindern?“ – Wobei wir hier schon ein Fragezeichen setzen müssten: Denn, was passiert da eigentlich ? Wetter, Arbeit, Kinder ... sind die denn wichtiger, als das, was uns wirklich am Herzen liegt, darüber sprechen wir eben nicht.

Eine andere Weiche sind die Emotionen – wo sind sie? Wo dürfen wir emotiv sein ? Kann man immer das sagen, was man fühlt, oder muss der andere nicht wissen, was ich denke und fühle ? Das gilt für jede Freundschaft, für jede Partnerschaft, für jede Ehe, das gilt für das Miteinander der Generationen, auch für Eltern und Kinder.

In der Regel funktioniert man von Tag zu Tag vor sich hin, in dem gewohnten Trott: Der Hof ist da, der Garten ist da, die Arbeit muss erledigt werden, „Du machst das und ich das“. So war’s schon immer, so machen wir’s heute und morgen wieder. Warum etwas ändern, wenn es doch so klappt?

Und die Rollen sind gut verteilt, manchmal wie in Stein gemeißelt. – so, wie beim Älteren der beiden Brüder, dem, der zu Hause bleibt. Der ist ganz nah und doch emotional unendlich weit weg von seinem Vater. Die Direktiven seines Vaters bestimmen den Alltag. Wir kennen das, wenn wir bestimmende Eltern haben.

Und ebenso geschieht es mit dem Jüngeren, bevor er seine Rolle zuerst innerlich aufkündigt und dann äußerlich aufbricht und sich aus dem Vaterhaus absetzt. Die Flucht nach Deutschland war für viele Siebenbürger Sachsen ein ähnliches Geschehen. Ein Freund sagte mir einmal bei einem Klassentreffen in Deutschland: „Wäre ich zuhause geblieben, ich wäre schon längst verrückt geworden“ – er hat die Strenge einer sächsischen Erziehung nicht aushalten können und war dankbar, dass sich das Tor zum Westen mit der Revolution geöffbet hat. Jetzt lebt er glücklich mit seiner Familie, hat aber bereits Probleme mit seinen Kindern, die in der modernen Welt ausflippen und sich nicht zurechtfinden, er kann ihnen bereits nicht mehr helfen, als sie liebevoll in dem Hotel Mama aufnehmen und versorgen.

Aber,Was können verlorene Väter, Mütter, von diesem einen Vater aus dem Gleichnis Jesu in der Bibel lernen? Viel.

Erstens: Sein lassen, nicht festhalten, nicht klammern – alle, die den Andern auch gehen lassen im Vertrauen: „Wir verlieren beide nichts. Blieben sie, – wir würden beide verlieren.“ Nicht in dem Sinne von „Reisende soll man ziehen lassen ...“ – keine Resignation also, Hoffnung vielmehr: Wir sollen zu den Jüngeren sagen: Erobere Dir die Welt und erlebe Leben, viel Leben: Du sollst leben und ich will mich mit dir freuen. Das ist die Devise, die helfen kann, den Schmerz einer Trennung zu überwinden.

Zweitens: Die Liebe ist offen für Veränderungen, die Liebe sucht immer das Gute des Andern – seine Freiheit, sein Leben, seine Freuden. Zu bedenken ist folgendes:

Töchter oder Söhne sind nicht mein Eigentum. Sie sind mir als Elternteil anvertraut. Und sie sollen wachsen, sie sollen immer mehr erwachsen werden: auch in der Ferne, ohne meine Aufsicht ! Auch dann, wenn sie scheitern. Zu Hause geht das nicht – oder nur sehr schwer.

Drittens: Die Kinder in Ihrem sein lassen, das heißt aber auch: Im Gebet mit ihnen mitgehen auf den bekannten und noch viel öfter unbekannten Wegen, die sie einschlagen. Sein lassen bedeutet in Gedanken Anteil nehmen und sie begleiten, eben das alles ins Gebet bringen: Für sie danken, für sie bitten. Sie segnen. Denn Jesus: „Segnet und flucht nicht.“ Segen und segnen ist ein Elternrecht und eine Elternpflicht. Wenn früher ein Bursche rekrutiert wurde und aus dem Elternhaus zum Militär musste, so wurde er vom Vater gesegnet. Genau so auch eine Braut, die heiratete, sie wurde vom Vater gesegnet. Das gibt es nicht mehr. Aber dennoch können wir die Kinder im Gebet begleiten und sollten es auch tun.

Viertens: Nichts muss so bleiben, wie es ist. Immer offen bleiben für Veränderungen, denn die Welt lebt in einem ständigen Fortschritt. Es muss nichts so bleiben. Im Leben bleibt alles im Fluss, in ständiger Bewegung. Erst der Tod ist ein Stillstand. Er ist ein Übergang. Es können auch Rollen vertauscht werden. kann anders werden.

Fünftens: Aufeinander zugehen. Eins bewundere ich an dem Vater in der Geschichte. So möchte ich auch gerne sein. Der hat ja auf dem Hof genug zu tun – aber er hat immer ein halbes oder ein ganzes, wachsames Auge auf die Strasse gerichtet: Es könnte ja sein, dass mein Kind wieder kommt. Und so bleibt es tage-, wochen-, monate-, vielleicht jahrelang. Und immer mit einem Auge auf die Strasse.

Und als er den lumpigen Kerl dann kommen sieht, ist er im Nu auf den Beinen, lässt alles stehen und liegen, läuft ihm entgegen.

 Das müsste doch eigentlich anders sein: Dass der Sohn so groß und mit Hut auf den Knien zu ihm rutscht und um Verzeihung bittet.

Aber nein – nichts davon: Das ist Vater-Mutter-Liebe, die schon über den Schatten springt, bevor sie ihn überhaupt wahr genommen hat.

 Sechstens: Immer bereit sein zur Versöhnung. Ja. Das ist das ultimative Mittel des verlorenen Vater – und auch jeder verlorenen Mutter: Versöhnung. Das bedeutet nicht. „Vergiss die Verletzungen, Schwamm drüber, alles i.O.“

Und dann kommt ein neuer Anfang:

Ein neues Kleid, ein Siegelring, Zeichen der Vollmacht, Schuhe, Zeichen der Freien – und ein Fest.

Bliebe noch der andere Sohn. Und auch da wieder Versöhnung. Auch da ist benennen und vergeben von Schuld. Auch da wiederherstellen der Verhältnisse so, wie sie angemessen und gesund sind. Ob es beim Älteren und dem Vater dazu kommt? Das Ende ist offen. Da. Auch bei uns.


Gebet:

Wir danken dir, allmächtiger Gott und Vater, dass du uns deinen Sohn gesandt hast, der uns die Botschaft von der Liebe gebracht hat. Hilf uns, dass wir nicht in unserer eigenen Hilflosigkeit gefangen bleiben und dabei den Mut verlieren dich zu suchen.  Deine Einladung möge unsere Herzen und Seelen dazu bewegen, deine Hilfe in wahrhaftigem Glauben auch anzunehmen. Mache du uns zur Versöhnung bereit und gibt uns Kraft wo immer sie gebraucht wird, Vergebung zu schenken.  Deshalb bekennen wir vor dir auch unsere Bedürftigkeit in vielen Dingen und bitten dich um deine große Hilfe.

Wir beten für deine Kirche auf Erden, für die Prediger des Wortes Gottes, wie auch für die vielen Helfer in unseren Gemeinden. Gib Freude und Mut dein Wort zu verkündigen, deine Wahrheit zu lehren und deiner Gemeinde zu dienen. Erinnere die Christen an das Heil in  Jesus Chrisus. Mach es möglich, dass alle Menschen im Glauben zueinander finden und wahre Brüder werden. Lenke die Regierenden zu einem neuen Verständnis für das globale Wohl der Welt. Beseitige duch deine allmächtige Kraft die vielen Gefahren, die uns bedrohen. Lass bald den Tag kommen, da wir aus dieser Weltkrise befreit werden.

Wir bitten dich um deinen Segen für die Notleidenden, die Bedürftigen, die Kranken und Schwachen in unseren Gemeinden, wie auch auf der ganzen Welt. Lass die Menschen zur Vernunft kommen,  um der Gemeinschaft mit neuen Kräften und neuen Erkenntnissen zu dienen.

Wir bitten dich für unsere Verwandten, Bekannten und Freunde, in der Nähe und in der Ferne, ob sie in Schwierigkeiten stecken oder ob sie zufrieden sind haben. Sei mit ihnen nach deinem großen Willen und deinem wahrhaften Entscheiden. Sei auch mit den ärztlichen Helfern und unterstütze sie in ihren Initiativen, damit der ganzen Menschheit geholfen werde. Schenke allen Menschen Mut und Kraft zum Bekenntnis.

Wir beten dich an und nennen in der Stille unsere Anliegen, unsere Probleme und auch die Namen derer, die uns besonders am Herzen liegen und bitten dich um deinen Beistand ...

Du, Herr, bist unsere Glaubensstärke unsere Zuvericht und unsere Hoffnung. Dir vertrauen wir und beten dich an, hier und jetzt, sowie in Ewigkeit. Amen


 

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute,

und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigen.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.


Segen

Der Herr segne und behüte uns.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Amen