Hausgottesdienst am 4. Trinitatissonntag dem 5. Juli 2020

Hausgottesdienst am 4. Trinitatissonntag dem 5. Juli 2020, Pfarrer Kurt Boltres

Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen 

Tagespsalm Nr. 106 „Gottes Gnade und Israels Undank“

Gebet:

Allmächtiger Herr und Gott, der Vater, der Sohn und der Heiliuger Geist. Du bist die Quelle des Lebens, ohne dich ist unser Wort leer. Unser Herz ist unsicher und voller Angst. Tilge unsere unvergebene Schuld, die usn vor dir und unseren Mitmenschen trennt, sonst sind wir verloren. Wir heben unsere Hände zu dir empor und bitten dich: Herr erbarme dich unser !

Wir lesen Gottes Wort im Römerbrief des Apostel Paulus 12,17-21 

17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 18 Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. 19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« 20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22). 21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Frieden, das große Wort

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

Was für ein großes Wort: „Frieden“ ! Es gibt in der menschlichen Sprache nur wenige Wörter von diesem Format. Frieden – ist ein Ziel millionenfacher Sehnsucht, aber auch das Ziel millionenfach enttäuschter Hoffnung. Denn die Mächte, die dem Frieden im Wege stehen, sind stark. Und es sind viele: Egoismus, Ideologie, Religion – und all der Hass, der daraus erwächst. Die Verletzungen, die nicht verheilt, sondern bestenfalls vernarbt sind. Und dann natürlich wirtschaftliche Interessen oder gar blanke Gewinnsucht – wie viele Kriege werden nicht um knappe Ressourcen geführt ! So viele Menschen und Interessengruppen tun etwas gegen den Frieden. Das ist auch nicht so schwer. Viel schwerer ist es, etwas für den Frieden zu tun. Da geben auch viele auf, bevor sie richtig damit begonnen haben, weil sie sich ohnmächtig fühlen. Allein zu stehn, gegen die Mächte und die Mächtigen der Welt – wer will das schon ? Zu zwanzig oder dreißig gegen diese Supermächte – wer kann das schon ?

Was wundert es uns da, dass viele diesen großen Friedens-Worten mittlerweile misstrauen ! „Ein bisschen Frieden“ reicht ja vielleicht auch. Aber „ein bisschen Frieden“ hat die Tendenz, zur bloßen Gemütlichkeit zu verkommen. Und das kann ja nicht gemeint sein. So lässt sich das große Wort nicht in kleine Münze umrechnen. So verliert es seinen Wert. Andererseits: wir brauchen es gerade so, dass es uns nicht zu groß wird. Dass wir nicht aufgeben, bevor wir begonnen haben. „lst’s möglich, so viel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden“, sagt der Apostel Paulus. Ist es denn möglich? So viel an uns liegt, meine ich, mit allen Menschen Frieden zu haben ? Wie sollen wir das anfangen ? 

Ich erinnere mich noch an die Eurovision 1982, die wurde damals im Ceausescufernsehen auch gezeigt, wie die deutsche Sängerin Nicole den Preis mit dem Lied „Ein bisschen Frieden gewann. Auch jetzt noch klingt Melodie und Text in meinen Ohren: 

„Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne

Für diese Erde, auf der wir wohnen.

Ein bisschen Frieden, ein bisschen Freude,

Ein bisschen Wärme, das wünsch' ich mir.  

... Sing mit mir ein kleines Lied, dass die Welt im Frieden lebt.“

Trotz aller großen Weltpolitik liegt die Quelle des Unfriedens in der Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen. Feindschaft und Krieg entstehen zwischen Menschen – sie wachsen nicht aus dem Boden. Bevor die Bibel von einem Krieg zwischen Völkern erzählt, berichtet sie vom tödlichen Streit zwischen Kain und Abel. Und weil das so ist, hat die Hoffnung einen guten Grund, auch der Frieden könnte zwischen zwei Menschen beginnen. Dadurch, dass einer lernt, sich selber anders zu sehen. Dadurch, dass einer lernt, den anderen anders zu sehen. Und dadurch, dass aus dieser anderen Sichtweise auch eine andere Verhaltensweise erwächst.

Unser Handeln wird nämlich davon bestimmt, wie wir die Welt sehen. Und vor allem davon, wie wir uns selbst in dieser Welt sehen. Kain, der Sohn von Adam und Eva, wird zum Mörder, weil er sich selbst als Opfer sieht. Er sieht sich als Opfer der Willkür Gottes, der Abels Opfer gnädig annimmt, seins aber nicht. Er steht vor seinem Opferaltar und weiß, dass er zu kurz kommt: Er bekommt nämlich weniger Liebe von Gott als sein Bruder Abel. Der nimmt ihm ja alles weg. Aber wenn es den Bruder nicht gäbe, dann wäre doch genug Liebe für ihn da. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, erkennt Kain zu spät. Oder auch Esau, Josefs ältester Sohn, der von seinem Bruder Jakob um den Vatersegen betrogen wird, sieht sich als Opfer. Er sieht sich als den, der nicht bekommen hat, was ihm eigentlich zugestanden hätte. Der Jüngere hat es ihm weggenommen, und deshalb muss der Jüngere beseitigt, ja umgebracht werden – damit die Welt wieder in Ordnung kommt.

Genau das ist die Dynamik, aus der heraus Unfrieden und Krieg entstehen. Das hat zuletzt der Zweite Weltkrieg uns gelehrt. Auf genau diesem Gefühl haben die Nationalsozialisten ihre Ideologie gebaut: dass die Deutschen im Friedensschluss von Versailles um ihr Recht betrogen worden sind, dass sie zu kurz gekommen und ungerechtfertigt um Gebiete und Erträge gebracht worden sind. Wer sich selbst als Opfer sieht, möchte gern auch mal der Gewinner sein – notfalls mit Gewalt. Dasselbe lehrt uns auch der endlose Konflikt im Nahen Osten. Da sehen sich beide Seiten immer wieder in der Opferrolle: Israel, weil nahezu alle Nachbarn die Vernichtung dieses Staates auf ihre Fahne geschrieben haben. Und die Palästinenser, weil sie sich um ihr Land und ihre Autonomie betrogen fühlen. Beide kommen zu kurz und versuchen sich zu nehmen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Beide sehen sich als Opfer und können sich mit dieser Rolle nicht abfinden.

Dazu kommt noch die Angst, bedroht zu sein. Auch dies dient nicht dem Frieden. Denn die Konsequenz der Angst ist das Bedürfnis, sich vor anderen zu schützen – notfalls durch einen „Präventivschlag“. Nein, das passiert nicht nur zwischen Völkern ! Das beginnt bereits zwischen Menschen und zwischen Familen. Gerade die, die sich selbst schwach fühlen, schlagen sicherheitshalber erst mal zu. Nicht immer mit den Fäusten, Gott sei Dank – meistens bleibt es bei Worten. Aber auch mit denen kann man „aufrüsten“. Und eine Aufrüstung dient nie dem Frieden ! Es ist ein unheilvoller Glaubenssatz, dass man Stärke nur mit Stärke begegnen kann, Bedrohungen nur mit Bedrohungen und Schlägen nur mit Schlägen, es heißt doch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ !

Christen jedoch haben andere Glaubenssätze: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist’s möglich, so viel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden“. Also rächt euch nicht selbst. Solche Glaubenssätze können wirksam werden, weil Christen auch eine andere Sicht der Welt haben – und vor allem: eine andere Sicht von sich selbst. Christen sind Menschen, die wissen, dass sie von Gott überreich beschenkt worden sind. Christen sind Menschen, die von Gottes Segen begleitet werden. Christen sind Menschen, die aus der Gnade Gottes leben. Christen sind Menschen, denen Gott mehr Chancen schenkt, als sie je ergreifen können. Mit diesen Glaubenssätzen begegnen Christen der Welt und den anderen Menschen. Im Licht solcher Sätze lernen sie sich selbst neu zu sehen. „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ Daran erinnert Paulus einige Kapitel zuvor (Römer 8,31f).

Es ist nicht gleichgültig, mit welchen Glaubenssätzen man in seinem Leben unterwegs ist. Aus dem Gefühl, ewig benachteiligt zu sein, ständig um das Leben betrogen zu werden, immer zu kurz zu kommen, resultieren Streit und Kampf – das sind Quellen des Krieges. Aus dem Wissen, mit dem Leben beschenkt, in der Liebe geborgen zu sein und vom Segen begleitet zu werden, resultieren doch Entspannung und Geduld – das sind Quellen des Friedens.

Unser Handeln wird davon bestimmt, wie wir die Welt sehen. Und vor allem davon, wie wir den anderen in der Welt sehen. Welche Sicht wir als die unsere übernehmen: die, die uns die Welt nahelegt, oder die, die wir lernen können, wenn wir andere Menschen mit den Augen Christi anschauen. „Sei auf der Hut vor dem anderen“, sagt uns die Welt, „er ist dein Konkurrent und wird jede deiner Schwächen ausnutzen.“ Und auch dies: „Alles, was fremd ist, ist bedrohlich“ – auch so ein Allerweltssatz. „Tu dich zusammen mit denen, die deine Ansichten teilen und grenze alle anderen aus“, lautet dann der schlechte Rat, denn an solchen Grenzen beginnt der Zwist und der Krieg.

In einer Welt, die von solchen Grenzen bestimmt wird, hat sich auch Jesus bewegt: hier Pharisäer, da Sünder - hier Juden, da Samariter - hier Gesunde, da Aussätzige - hier Männer, da Frauen. Aber Jesus ist zu den Ausgegrenzten gegangen und hat diese Trennungen überwunden. Alle hat er mit Gott in Verbindung gebracht, die einen wie die anderen: die Pharisäer und die Sünder, die Juden und die Samariter, die Gesunden und die Aussätzigen, die Männer und die Frauen. Alle hat er als Menschen gesehen, die Gott geschaffen hat und die Gott liebt. Und er hat sie auch als Menschen gesehen, die bedürftig sind, die Zuwendung und Hilfe brauchen. Und genau das lernen Christen von dem Sohn Gottes, wenn sie auf seinen Wegen gehen, in seine Nachfolge treten.

Der Mensch, der mir begegnet, ist ein Mensch, den Gott gewollt hat – genau wie mich. Er wird sich etwas dabei gedacht haben. Er sieht etwas in diesem anderen Menschen, das ich nicht sehen kann. So wie er in mir etwas sieht, das andere Menschen vielleicht nicht sehen. Der Mensch, der mir begegnet, ist unendlich wertvoll. Mit den Augen Gottes gesehen, ist jedes Menschenleben unersetzlich. Und jeder Mensch ist eine Bereicherung dieser Welt. Das ist doch eine wunderbare Sicht auf den anderen hin: genau hinzuschauen, womit gerade dieser Mensch die Welt bereichert. Diese Sicht könnte ganz andere Seiten zum Vorschein bringen ! Und der Mensch, der mir begegnet, darf zu Gott auch „Vater“ sagen – so wie ich. Und damit wird er mir zum Bruder oder zur Schwester. Das bedeutet: es gibt bei allem, was uns trennen mag, etwas ganz Tiefes, das uns verbindet, etwas Gemeinsames, in dem wir uns immer wiederfinden können. Eine Familie, zu der wir gehören, und in der Menschen auf das Gute setzen. „Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann“, sagt Paulus.

Und noch eine andere Perspektive eröffnet diese Sicht Jesu: den Blick hinter die Fassade. „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an“, heißt es im  1. Samuelbuch (16,7). Im Herzen wohnt die Menschlichkeit des Menschen – und seine Bedürftigkeit. Beides ist manchmal schwer zu sehen, denn beides wird manchmal gut verborgen: hinter dem Strahlen des Siegers, hinter der finsteren Miene des Feindes, hinter der rauen Schale des Einsamen. Auch das ist eine Frucht des Glaubens, dass man die Bedürftigkeit der scheinbar Starken zu sehen lernt. „Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken.“ Der glaubende Christ richtet sein Augenmerk immer auf die andere Seite: er sieht nicht nur den Feind, sondern auch den Hungrigen und Durstigen. Er sieht, was der andere braucht – und gibt es ihm. Das ist eine andere Weltsicht – eine Sicht nämlich , die dem Frieden dient.

Frieden – dieses große Wort. Es wird konkret und greifbar, wenn ich auf das schaue, was erstens „an mir liegt“ und wenn ich die Schritte gehe, die ich gehen kann. Frieden wird konkret, wenn ich die neue Sicht nutze, für die mir Jesus die Augen öffnet: eine neue Sicht auf mich selbst, wie auch eine neue Sicht auf den anderen Menschen. Dann eröffnen sich mir neue  Handlungsmöglichkeiten – Schritte auf dem Weg des Friedens. Ob wir dise Schritte gehen, das allein liegt an uns. Gewagt haben wir sie noch nicht ! Nicht im Haus, nicht in der Familie, nicht im Ort, nicht im Land und nicht auf der Welt, sonst würde alle Welt doch Frieden haben, und das hat sie nicht !

Amen

Gebet:

Wir danken dir, allmächtiger Gott und Vater, dass du uns deinen Sohn gesandt hast, der uns die Botschaft von der Liebe gebracht hat. Du hast deine Macht erwiesen, vornehmlich im Erbarmen und Verschonen. Vergib uns, dass wir oft richten, anstatt zu segnen, dass wir verachten, anstatt zu helfen. Hilf uns, unseren Nächsten mit den Augen Jesus zu betrachten, dass wir seine Not erkennen und ihm als Zeugen deines Erbarmens zu dienen, dass wir seine Bedürftigkeit in vielen Dingen erkennen und ihm helfen.

Wir beten für deine Kirche auf Erden, für die Prediger des Wortes Gottes, wie auch für die vielen Helfer in unseren Gemeinden. Gib Freude und Mut dein Wort zu verkündigen, deine Wahrheit zu lehren und deiner Gemeinde zu dienen. Erinnere die Christen an das große Heil in Jesus Christus. Mach es möglich, dass alle Menschen im Glauben zueinander finden und wahre Brüder werden. Lenke die Regierenden zu einem neuen Verständnis für das Wohl der Welt und lass sie für den Frieden kämpfen und eintreten. Beseitige duch deine allmächtige Kraft die vielen Gefahren, die uns bedrohen. Lass auch bald den Tag kommen, da wir aus dieser Gesundheitskrise befreit werden.

Wir bitten dich um deinen Segen für die Notleidenden, die Bedürftigen, die Kranken und Schwachen in unseren Gemeinden, wie auch auf der ganzen Welt. Lass die Menschen zur Vernunft kommen,  um der Gemeinschaft mit neuen Kräften und neuen Erkenntnissen zu dienen.

Wir bitten dich für unsere Verwandten, Bekannten und Freunde, in der Nähe und in der Ferne, ob sie in Schwierigkeiten stecken oder ob sie zufrieden sind. Sei mit ihnen nach deinem großen Willen und deinem wahrhaften Entscheiden. Sei auch mit den vielen ärztlichen Helfern in dieser zeit und unterstütze sie in ihrem Einsatz und in ihren Initiativen, damit der ganzen Menschheit dadurch geholfen werde. Schenke allen Menschen Mut und Kraft zum Bekenntnis.

Wir gedenken vor dir auch der Freunde, die in besonderer seelischer Not stehen. Wir denken an die Freunde, die ihre Not im Alkohol ertränken wollen und daher Leid und Schmerzen über die Familie bingen. Wir wissen  manchmal nicht, wie wir ihnen helfen können  und suchen nach Lösungen. Wir bitten dich, gib uns die rechten Gedanken und Worte zu diesem allgemeinen Problem unter uns, damit wir helfen können. Herr, unser Gott, erhöre unser Gebet.

Wir beten dich an und nennen in der Stille unsere Anliegen, unsere Probleme und auch die Namen derer, die uns besonders am Herzen liegen, mit ihrer Not und ihrer Schwachheit, und bitten dich um deinen Beistand ... (Wir bitten dich im besonderen für NN ...)

Du, Herr, bist unsere Glaubensstärke unsere Zuvericht und unsere Hoffnung. Dir vertrauen wir und beten dich an, hier und jetzt, sowie in Ewigkeit. Amen


Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute,

und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigen.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.


Segen

Der Herr segne und behüte uns.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Amen